Dr. Pro Bono-Ärztin Dr. med. Renate Ostertun im Interview mit der Stiftung Gesundheit

Mediziner, die ihre Fachkunde auch ehrenamtlich einsetzen, um bedürftige Menschen zu unterstützen, zeichnet die Stiftung Gesundheit mit dem Dr. Pro Bono-Siegel aus. Die Ärztin Frau Dr. med. Renate Ostertun legt den Schwerpunkt ihrer Arbeit auf Akupunktur und naturheilkundliche Verfahren. Im Interview erzählt sie uns, wie sie sich neben ihrem Praxisalltag ehrenamtlich engagiert.

Frau Dr. Ostertun, Sie engagieren sich auch neben Ihrem Praxisalltag ehrenamtlich für Bedürftige. Seit wann sind Sie im Ehrenamt tätig?

Seit eineinhalb Jahren. Davor habe ich allerdings ein Jahr lang versucht, es zu starten, doch es war schwer, einen Fuß in die Tür zu bekommen!

Wie setzen Sie sich für das Gemeinwohl ein?

Ich führe Akupunktur bei Flüchtlingen durch und bilde Menschen, die in Entwicklungsländern tätig sind, darin aus. Letzteres aber bisher im kleinen Rahmen.

Portrait Dr. med. Renate Ostertun
Neben ihrem Praxisalltag in Hamburg behandelt Frau Dr. Ostertun Flüchtlinge ehrenamtlich mit Akupunktur und unterrichtet beispielsweise auch Ärzte, die in Kamerun eine Augenklinik für Bedürftige betreiben. Bildnachweis: Nele Schümann

Was tun Sie genau? Wen unterstützen Sie? Was ist das für ein Projekt?

Zum einen war ich für viele Monate in zwei Erstaufnahme-Einrichtungen tätig und habe dort kostenlos die Bewohner mit der NADA-Akupunktur versorgt. Das ist eine Akupunkturform, die ursprünglich Drogenabhängigen in New York als niedrigschwellige Therapie angeboten wurde und nun auch zunehmend bei traumatisierten Menschen oder Helfern eingesetzt wird. Da nicht jeder Geflüchtete mit Bedarf an therapeutischer Unterstützung so schnell Zugang zu Psychotherapie bekommen kann, wie es wünschenswert wäre, ist die Akupunktur wenigstens ein klitzekleiner Trost. Durch diese Akupunktur kommt es zu körperlicher und psychischer Entspannung, besserem Schlaf, Abstand vom Erlebten, innerer Ausgeglichenheit und verminderter Aggression. Im Laufe der Zeit habe ich die dort tätige Kollegin in der NADA-Akupunktur unterrichtet, so dass sie es nun regelmäßig anbietet und ich die Methode an weiteren Erstaufnahmestellen einbringen kann.

Zum anderen habe ich eine Ärztin, die in Kamerun eine Augenklinik für Bedürftige betreibt, in spezieller Augenakupunktur – also Akupunktur gegen Augenleiden – unterrichtet. Nun kann sie diese kostengünstige Therapie anbieten, was vor allem in den Fällen toll ist, in denen die Schulmedizin nicht weiter weiß bzw. benötigte Medikamente vor Ort fehlen. Sie hat schon erstaunliche Erfolge damit erlebt und inzwischen ihre Krankenschwestern in die Methode eingewiesen. Wenn sie das nächste Mal nach Deutschland kommt, geht es weiter: Dann ist der Crashkurs „Akupunktur gegen Kopfschmerzen“ dran. Daneben möchte ich die Methode der Augenakupunktur gern nach Indien bringen, zwei mögliche Adressen sind schon ausgeguckt, erste Kontakte sind geknüpft – das ist aber noch Zukunftsmusik.

Bereisen Sie beispielsweise auch die Entwicklungsländer und bilden Ärzte vor Ort aus?

Leider noch nicht – die Einladung nach Kamerun steht aber und ich hoffe, in den nächsten Jahren einmal hinfahren zu können. Ebenso nach Indien, um dort die Augenakupunktur zu unterrichten. Wie gesagt, die ersten Schritte sind unternommen. Dann geht es hoffentlich irgendwann nach Ladakh und Mumbai.

Warum engagieren Sie sich?

Weil es mir hier so gut geht. Nicht jeder auf der Welt hat das Glück, in so einem Land geboren und aufgewachsen zu sein. Wenn ich mit der Akupunktur ein wenig abgeben kann, tue ich das gerne. Es kostet mich nur ein bisschen Zeit, ist aber ein relativ kleiner Aufwand, wenn man es mit dem erzielten Nutzen vergleicht. Wenn ich eine Methode beherrsche, mit der ich bei machbarem Aufwand viel Hilfe leisten kann, finde ich schon, dass ich das sinnvoll einsetzen und teilen sollte.

Fühlen Sie sich als Ärztin verpflichtet, sich auch in Ihrer Freizeit für bedürftige Menschen einzusetzen?

Als Verpflichtung würde ich es nicht bezeichnen. Schon im Arbeitsalltag setzen wir Ärzte uns für bedürftige Menschen ein, da finde ich es nicht „verpflichtend“, das auch in der Freizeit zu tun. Auch unabhängig vom Ehrenamt macht man doch gern mal Überstunden oder engagiert sich am Wochenende, wenn ein Patient das braucht. Also würde ich es nicht speziell an den ärztlichen Beruf koppeln – eher denke ich, dass jeder Mensch, dem es gut geht, etwas davon teilen sollte. Bei jedem gibt es irgendetwas, wovon andere profitieren können.

Wie ist Ihr Eindruck: Engagieren sich viele Kollegen ehrenamtlich? Und wo tauschen Sie sich darüber aus?

Unterschiedlich – von manchen Kollegen gibt es großartiges Engagement, von anderen weniger. Das ist wie in der Gesamtbevölkerung, denke ich. Ein spezielles Forum zum Austausch ist mir nicht bekannt, ich erlebe das Thema eher zufällig im Gespräch mit Kollegen oder Freunden.

Planen Sie in Zukunft noch andere ehrenamtliche Projekte?

Wie gesagt – ein Besuch in Kamerun steht auf meiner Wunschliste und ich plane, die Augenakupunktur in Indien zu unterrichten.

Beitragsbild: Africa Studio | Adobe Stock