Früher galt die eigene Praxis als Goldstandard. Heutzutage entscheiden sich jedoch immer mehr Ärztinnen und Ärzte bewusst dagegen. Wir haben nachgeforscht und niedergelassene Ärzte gefragt: Angestellt oder niedergelassen, Vollzeit oder Teilzeit – wie würden sie sich entscheiden, wenn sie heute noch einmal die Wahl hätten?

Fast ein Fünftel der Niedergelassenen würde heute angestellt arbeiten

Wenn sie heute noch einmal wählen dürften, würden sich 17,6 Prozent der niedergelassenen Ärzte für eine angestellte Tätigkeit entscheiden. 82,4 Prozent würden weiterhin die eigene Praxis wählen.

Am attraktivsten ist die angestellte Tätigkeit für die Altersgruppe 51-60 Jahre (20,3 Prozent). Am wenigsten Interesse an diesem Beschäftigungsmodell zeigt die Altersgruppe 41-50 Jahre (12,9 Prozent).

Vorteil der angestellten Tätigkeit: Konzentration auf das Wesentliche

Als Hauptargument für eine angestellte Tätigkeit nannten die Ärzte, dass ihnen diese Beschäftigungsform die Möglichkeit gebe, sich auf die tatsächliche ärztliche Tätigkeit zu konzentrieren (94,0 Prozent). Als zweitstärkstes Argument gaben neun von zehn Ärzten „weniger Bürokratie“ an, da sie sich als angestellte Ärzte nicht selbst um Abrechnung, Steuerfragen und ähnliche Themen kümmern müssten.

Für mehr als 80 Prozent der Ärzte spielt zudem das planbare und sichere Einkommen eine große Rolle. Und mehr als drei Viertel sehen einen Vorteil darin, kein unternehmerisches Risiko zu tragen und damit auch keine finanziellen Risiken eingehen zu müssen.

Jeweils zwei Drittel der Ärzte gaben die gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie (66,9 Prozent) bzw. die klare Trennung zwischen Arbeit und Freizeit (66,2 Prozent) als wichtige Entscheidungsgründe an.

Am wenigsten wichtig war den Ärzten das Argument, dass sie in dieser Beschäftigungsform keine Verantwortung für Personalführung tragen (62,9 Prozent).

Eigene Praxis ermöglicht berufliche Selbstbestimmung

Auch wenn das Interesse an angestellten Tätigkeiten wächst, würden sich mehr als drei Viertel der niedergelassenen Ärzte heute erneut für eine eigene Praxis entscheiden. Als Vorteil nennen sie dabei die berufliche Selbstbestimmung, die 96,5 Prozent als wichtig ansehen: Die eigene Praxis gibt ihnen die Möglichkeit, eine individuelle Behandlungsphilosophie zu verfolgen und sowohl die diagnostische und therapeutische Vorgehensweise als auch administrative Arbeitsabläufe frei zu gestalten.

Als zweitstärkstes Argument – wenn auch mit deutlichem Abstand – nannten die Ärzte die Möglichkeit, ihre Arbeitszeiten durch die individuelle Festlegung der Sprechzeiten flexibel gestalten zu können (85,0 Prozent).

Jeweils mehr als drei Viertel der Ärzte sehen entscheidende Vorteile in der eigenen Auswahl der Praxismitarbeiter (79,5 Prozent) und im Aufbau langfristiger Patientenbeziehungen (76,8 Prozent).

Für knapp zwei Drittel der Ärzte sind die wirtschaftlichen Chancen ein Pro-Argument, rund 55 Prozent nannten ein persönliches Interesse an unternehmerischer Tätigkeit und Verantwortung.

Am wenigsten relevant war das Argument, die eigene Praxis könne als langfristige Altersvorsorge dienen (42,8 Prozent).

Teilzeit-Arbeit vor allem bei Ärztinnen beliebt – und das Interesse steigt

Teilzeit-Arbeit ist vor allem bei niedergelassenen Ärztinnen beliebt: Gut ein Drittel von ihnen arbeitet bereits in Teilzeit (34,5 Prozent), weitere 37,1 Prozent sind derzeit voll beschäftigt, würden aber lieber in Teilzeit arbeiten. 28,4 Prozent arbeiten in Vollzeit und würden sich auch weiterhin dafür entscheiden.

Bei den Männern dagegen arbeiten bislang lediglich 14,2 Prozent in Teilzeit. 31,4 Prozent würden gern von ihrem aktuellen Vollzeitjob auf Teilzeit wechseln. Der Anteil, der auch weiterhin voll arbeiten würde, liegt mit 54,4 Prozent fast doppelt so hoch wie bei den Frauen.

Dr. Dirk Heinrich,
Bundesvorsitzender des Virchowbundes

Gastkommentar

Niederlassung bleibt Goldstandard – bessere Rahmenbedingungen dringend nötig

Die Niederlassung ist und bleibt für Ärztinnen und Ärzte der Goldstandard. Vier Fünftel sehen darin ein zukunftsfähiges Modell, Patienten zu versorgen und zugleich wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Die Daten bestätigen aber auch, was der Virchowbund seit Langem fordert: Die Rahmenbedingungen für die Niederlassung müssen dringend verbessert werden. Die Gründe, die für die Anstellung genannt werden, sind vor allem weniger Bürokratie und weniger Risiko durch sich ständig ändernde Spielregeln.

Die Politik und auch die Selbstverwaltung müssen entschlossen an diesen Stellschrauben drehen. Praxisärzte und -ärztinnen brauchen verlässliche Regeln, die nicht nach zwei Jahren schon wieder außer Kraft gesetzt werden, wie bei der Neupatientenregelung. Der Tsunami an Kassenanfragen, Prüfaufträgen und Dokumentationsvorschriften muss gestoppt werden.

Entlastung ist das eine, Unterstützung das andere. Junge Ärztinnen und Ärzte wünschen sich mehr denn je Begleitung bei dem Sprung von der Anstellung in die Selbstständigkeit. Gerade bei wirtschaftlichen Themen, die in Studium und Weiterbildung zu kurz kamen. Das merken wir auch an dem hohen Interesse an unserer Niederlassungs- und Praxisberatung. Junge Ärztinnen und Ärzte brauchen einen Partner an ihrer Seite, der bei alledem hilft, was sie am Arztsein hindert. Und das ist seit über 75 Jahren der Verband der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte, der Virchowbund.

Mit den richtigen Rahmenbedingungen und konkreter Unterstützung ist die Niederlassung auch weiterhin ein sehr attraktives Modell für Ärztinnen und Ärzte. Die Niederlassung bietet viel mehr Spielraum für die Arzttätigkeit und die eigene Entwicklung. Denn die freie Wahl von Diagnostik, Therapien und medizinischen Schwerpunkten und die Möglichkeit, sich intensiver mit seinen Patientinnen und Patienten auseinandersetzen zu können, sind die wesentlichsten Gründe, weshalb die Befragten sich für eine Niederlassung entscheiden würden.

Methodik

Erhebung: Repräsentative Erhebung mit einem Online-Fragebogen

Erhebungszeitraum: 5.–15. Juni 2025

Sample: Für jede Berufsgruppe wurde eine repräsentative geschichtete Zufallsstichprobe angeschrieben. Für die aktuelle Befragung erhielten insgesamt 10.000 niedergelassene Hausärzte, Fachärzte, Zahnärzte und Psychologische Psychotherapeuten aus dem Strukturverzeichnis der Versorgung eine Einladung zur Befragung. Zusätzlich wurden 2.688 Ärzte angeschrieben, die regelmäßig an der Befragung teilnehmen.

Rücklauf: 761 valide Fragebögen (Rücklaufquote 6,0 Prozent). Die Ergebnisse sind repräsentativ mit einem Konfidenzniveau von 99% (Konfidenzintervall < ±5%).

Bildquelle: Virchowbund / Lopata