Seit Mai 2025 ist die neue Bundesgesundheitsministerin im Amt und nach den ersten Monaten wollten wir von den ambulant tätigen Heilberuflern und stationären Apothekern wissen: Welche Erwartungen und Wünsche haben sie an Nina Warken? Welche Themen und Initiativen sollte sie priorisieren?

Herausforderungen in der Gesundheitspolitik: Das sind die Top 5 der Heilberufler und Apotheker

Was müsste im Gesundheitswesen dringend angepackt werden? Auf diese Frage haben uns die ambulant tätigen Heilberufler und Apotheker (n=610) klare Antworten gegeben: Bei den Therapeuten steht das Thema Aus- und Weiterbildung ganz oben, bei den Apothekern die Sicherstellung der Arzneimittelversorgung sowie Maßnahmen gegen Lieferengpässe.

An zweiter Stelle rangiert bei beiden Gruppen der Bedarf an Personal; das Thema Patientensteuerung schaffte es in beiden Gruppen unter die Top 5.

Dringend gewünscht: Ein Beratungsgremium aus Fachleuten

Aus Sicht der Heilberufler wie auch der Apotheker hat es höchste Priorität, beim Bundesgesundheitsministerium ein dauerhaftes Beratungsgremium einzurichten, besetzt mit Vertretern aller Bereiche der Patientenversorgung. Zwei Drittel der Heilberufler und mehr als 60 Prozent der Apotheker sprachen sich für ein solches Gremium aus (n=987). In unserer parallelen Befragung votierten übrigens auch Ärzte mit großer Mehrheit für ein solches Gremium.

Welche Ratschläge Heilberufler der Gesundheitsministerin mitgeben würden

Angenommen, Heilberufler hätten die Gelegenheit, mit der Ministerin Essen zu gehen – worüber würden sie mit ihr sprechen, und welche Ratschläge würden sie ihr geben?

Die Top 5 der Themen und Ratschläge haben wir in der folgenden Liste zusammengefasst, gewichtet nach der Häufigkeit der Nennung.

1. Bürokratie und Digitalisierung

  • Bürokratische Abläufe radikal vereinfachen
    „Das endlose Antragswesen in der Psychotherapie gehört abgeschafft. Anträge an Krankenkassen nur noch digital, statt in Papierform.“

  • Einsammeln der Zuzahlungen durch Krankenkasse
    „Zuzahlungspflicht ist bürokratischer Aufwand für therapeutisches Personal in vielen kleinen Praxen. Damit verschwenden wir therapeutische Arbeitszeit. Die Zuzahlung sollte von den Kassen eingezogen werden.“

  • Gutachter-Verfahren vereinfachen oder streichen
    „Ich würde mit ihr über die Gängelung niedergelassener Therapeuten reden, die z.B. trotz Approbation eine Langzeittherapie einem Gutachter gegenüber rechtfertigen müssen, wohingegen ein Chirurg einfach entscheiden kann, welche OP er durchführt, obwohl diese ein Vielfaches an Kosten verursacht.“

  • Pflicht zur Digitalisierung nur, wenn sie tatsächlich entlastet
    TI ist nicht alltagstauglich, beweist täglich, dass sie nicht funktioniert und ist ein Zeitfresser statt einer Erleichterung.

2. Mehr Kassensitze, schnellere Zugänge

  • Deutlich mehr Kassensitze schaffen, vor allem im ländlichen Raum
    „Im ländlichen Raum finden Patienten kaum noch Physiotherapeuten, Logopäden oder Psychotherapeuten. Die Wege sind weit, Busverbindungen schlecht, Hausbesuche kaum refinanziert. Wenn nichts passiert, bricht die Versorgung außerhalb der Städte zusammen.“
  • Direktzugang ermöglichen
    Endlich Direktzugang zu Heilmittelleistungen schaffen! Wir Therapeuten sind bestens ausgebildet, können eigenständig einschätzen, ob Behandlung nötig ist, und ersparen dadurch Ärzten und Patienten viel Zeit. Die Verordnungspflicht ist ein überholtes Relikt.“

3. Angemessene Vergütung / Bezahlung in Heilberufen

  • Honorare an Inflation und Tarifsteigerungen anpassen
    „Es ist nicht vertretbar, das Gehalt von Psychotherapeuten nicht an Inflation etc. anzupassen und Ihnen auch noch die Kosten für Ausbildung und Übernahme von Kassensitzen aufzubürden. So vergüten wie vor 30 Jahren?! Das gibt es nirgendwo anders.“

  • Regionale Unterschiede berücksichtigen
    „Die Mieten für Praxisräume in Sachsen oder Berlin/Brandenburg sind sehr unterschiedlich – bis zu 1000 Euro Unterschied pro Monat. Die Vergütung ist dieselbe… Wie kann das sein?“

  • Realistische Vergütung für zeitaufwändige Leistungen (z.B. Hausbesuche)
    „Zeitfaktoren für Therapie anpassen, auch für Hausbesuche (z.B. dauert es viel länger, den Patienten zu positionieren, als in der Praxis).“

4. Ausbildung und Arbeitsbedingungen

  • Ausbildung attraktiver machen
    „Anreize schaffen, dass junge Menschen Heilberufe ergreifen wollen. Zum Beispiel gesetzliche Vorgaben an die Kassen und Arbeitgeber zur Vergütung. Staatliche Förderung für Praxiseröffnungen.      
  • Bundesweite Schulgeldfreiheit einführen
    „Schulgeldfreiheit sollte bundesweit gelten. Entlohnung für alle Therapeutenberufe während der Ausbildung (Praktikum).“
  • Arbeitsbedingungen familienfreundlich gestalten
    „Wenn wir möchten, dass mehr Menschen im Gesundheitssystem ausgebildet und arbeiten sollen, sollten wir über Arbeitszeit/ Kinderbetreuung!!!! und Lohn nachdenken und die jetzige Situation verbessern. Die Kinderbetreuung ist grottig schlecht geregelt in Deutschland.“

5. Prävention und Ausbau niedrigschwelliger Angebote

  • Prävention stärken
    „Jeder eingesetzte Euro in Psychotherapie spart in den nächsten Jahren 5 Euro. Es wäre also sinnvoll, den Zugang leicht zu machen und genug Therapieplätze zur Verfügung zu stellen.“

  • Niedrigschwellige Angebote und Vermittlungsstellen schaffen bzw. ausbauen
    „Versorgungssituation ambulante Psychotherapie verbessern, niederschwellige Angebote / Vermittlungsstellen oder ähnliches.“

  • Alternativen in Betracht ziehen
    „Ermöglichen Sie Heilpraktikern für Psychotherapie, eine Kassenzulassung für Psychotherapie zu beantragen! Dadurch kann die psychotherapeutische Unterversorgung deutlich entspannt werden.“

Welche Ratschläge Apotheker der Gesundheitsministerin mitgeben würden

Auch Apotheker haben uns im Rahmen der Befragung Anliegen und Ratschläge benannt, über die sie bei einem Essen mit der Gesundheitsministerin sprechen würden. Dies sind ihre Top 5:

  • Anpassung des Apothekenhonorars
    „Erhöhung unseres Fixaufschlages und jährliche Überprüfung desselben. Einrichtung einer Kommision, die den Fixaufschlag überwacht oder Anbindung des Aufschlags an den Tarif des öffentlichen Dienstes“

  • Abbau von Bürokratie und übermäßiger Kontrolle
    Entbürokratisierung und Abbau von Überwachung in Apotheken, Vorschriften anpassen.“

  • Wirtschaftliche Notlage und Personalmangel
    „Endlich hatte ich genügend Personal und musste nun wegen der wirtschaftlichen Lage drei Personen entlassen.“

  • Bessere Vergütung pharmazeutischer Dienstleistungen
    „Momentan haben Ärzte keine Lust, über pDL zu reden, da keine Vergütung.“

  • Anpassung der Arzneimittelpreisverordnung
    „Sofortige Honorarerhöhung der Apotheken durch kurzfristige Änderung der Arzneimittelpreisverordnung durch die Ministerin.“

Methodik

Erhebung: Repräsentative Erhebung mit einem Online-Fragebogen

Erhebungszeitraum: 1.-9. September 2025

Sample: Für jede Berufsgruppe wurde eine repräsentative geschichtete Zufallsstichprobe angeschrieben. Für die aktuelle Befragung erhielten insgesamt 12.000 niedergelassene Psychologische Psychotherapeuten, Heilpraktiker, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden, Hebammen/Geburtshelfer und Apotheker aus dem Strukturverzeichnis der Versorgung eine Einladung zur Befragung. Zusätzlich wurden 2.910 Heilberufler angeschrieben, die regelmäßig an der Befragung teilnehmen.

Rücklauf: 662 valide Fragebögen (Rücklaufquote 4,4 Prozent). Die Ergebnisse sind repräsentativ mit einem Konfidenzniveau von 99% (Konfidenzintervall < ± 5%).

Bildquelle: Canva