Im Gespräch mit Dr. Peter Müller

Portraitfoto.
Dr. Peter Müller hatte 18 Jahre lang das Amt des Vorstandsvorsitzenden der Stiftung Gesundheit inne – nun wechselt er in den Stiftungs-Rat.

Seit 25 Jahren sind Sie an Bord der Stiftung Gesundheit – wie kam es überhaupt zur Errichtung?

Die Stiftungs-Idee wurde in einer Kieler Pizzeria geboren – ganz im Ernst. Und zwar saß ich an jenem Abend als Medizinjournalist mit Anfang 30 zusammen mit vier Jungärzten bei einer Pizza zusammen, und wir unterhielten uns über den Fall des krebskranken Mädchens Olivia Pilhar. Diese Geschichte sorgte in den 1990er-Jahren weltweit für Schlagzeigen, weil der damals behandelnde Arzt, ein selbsternannter Krebsheiler, den Eltern von einer evidenzbasierten Behandlung abriet und stattdessen zu gefährlichen ideologisch getränkten selbsterfundenen Therapieformen riet. Wir dachten: Da muss man doch was tun. Es muss eine Quelle mit verlässlichen Informationen geben.

Wie ging es dann weiter?

Es dauerte gut und gern zwei Jahre, bis alles zur Gründung der Stiftung mit dem Innenministerium geklärt war. Am 29. März 1996 war es dann endlich soweit: Unter Aufsicht des zuständigen Innenministeriums und auf Grundlage des Stiftungsgesetzes wurde die Stiftung Gesundheit in Kiel errichtet. 2004 verlegten wir den Sitz dann nach Hamburg-Altona.

Ich selbst war anfangs als ehrenamtlicher Sprecher der Stiftung tätig, doch da mein Aufgabenfeld und auch die Verantwortung stetig größer wurde, übernahm ich 2003 das Amt des Vorstandsvorsitzenden. Berufen hat mich damals das Kuratorium unter dem Vorsitzenden Prof. Dr. Dr. Peter Oberender, der leider nicht mehr unter uns weilt. Er war eine große Persönlichkeit im Gesundheitswesen, und ich habe ihn außerordentlich geschätzt. Er etablierte zum Beispiel 1998 den ersten Studiengang Gesundheitsökonomie an der Universität Bayreuth. Nach seinem Tod im Februar 2015 ist dann Prof. Dr. Norbert Klusen an seine Stelle gerückt – ebenfalls ein außerordentlich kompetenter und beeindruckender Mensch, von dem ich ebenfalls viel gelernt habe.

Was ist das Alleinstellungsmerkmal der Stiftung Gesundheit?

Die Stiftung Gesundheit ist Träger des Strukturverzeichnisses der medizinischen Versorgung. Mit dieser Database haben wir ein Werkzeug geschaffen, das alle Möglichkeiten der medizinischen Versorgung in Deutschland sofort und exakt auffindbar macht – multidimensional und in seiner Detailtiefe und Aktualität einzigartig.

Der Mehrwert, den wir damit schaffen: Wir zeigen sowohl Ressourcen als auch Versorgungslücken auf, die andernfalls nicht oder nur schwer zu identifizieren wären. Wir können beispielsweise präzise ermitteln, wo Versorgungsmöglichkeiten fehlen, wo also zum Beispiel Fördermittel für den Ausbau von Barrierefreiheit in den Praxen am effektivsten einzusetzen wären. Davon profitieren alle Beteiligten.

Wie kamen Sie und die Stiftung zum Thema Digitalisierung?

Seit ich seinerzeit aus der Schule freigelassen wurde, habe ich als Journalist gearbeitet: Erst kleine lokale Artikel, dann auch mal längere Beiträge und schließlich Bücher, insbesondere zu Medizin und Gesundheit. Aber immer war es Manufaktur-Arbeit: teure Einzelfallrecherche, einmalige Verwertung.

Dann war ich mit an Bord, als wir die Produktionstechnik im Team der Stiftung Gesundheit Ende der 1990er Jahre digitalisiert und skalierbar gemacht haben: Kontinuierliche Recherche zu den Ärzten und der Gesundheitsversorgung in Deutschland, digitalisiert in einer relationalen Database – und heute vielfach skaliert in Lizenz genutzt, unter anderem von der großen Mehrzahl der Krankenversicherer.

Manchmal haben Stiftungen ein verstaubtes Image – passt das Thema Digitalisierung zu Ihnen?

Stiftungen gelten als verstaubt? Nun, die Stiftung Gesundheit sicherlich nicht. Digitalisierung – nicht als Wort, nicht als Ideologie, sondern als Werkzeugkasten – ermöglicht erst unsere Arbeit und Wertschöpfung in diesem Maße. Und es ist Teil des verantwortungsbewussten Ressourcen-Einsatzes. Der Ressourcen in Euro und der wertvollen Fähigkeiten unserer Kolleginnen und Kollegen. Übrigens, unser gesamter Laden war schon lange vor Corona zu 99,5 Prozent homeoffice-fähig.

Wo liegt das größte Potenzial der Digitalisierung in der Gesundheitsbranche?

Kluge Digitalisierung schafft einen riesengroßen Mehrwert an Wissen. Man stelle sich nur vor, es wäre zulässig, die immensen Mengen an Informationen aus der Versorgung wirklich zu analysieren! Aber das Schlüsselwort lautet „klug“. Nicht alles, was digital geht, ist automatisch auch sinnvoll.

Im August 2021 endet Ihre Zeit als Vorstandsvorsitzender aus satzungsbedingten Gründen. Was haben Sie nun vor?

Ich bleibe der Stiftung Gesundheit auch weiterhin erhalten: Ich werde künftig den Vorsitz des Stiftungs-Rats übernehmen und in dieser Funktion dem neuen Vorstand der Stiftung beratend zur Seite stehen. Und ebenso wichtig: Ich darf mich damit auch um unser Büro in der Hauptstadt kümmern. Denn dort sitzen die Stakeholder der Politik, die Spitzen der meisten unserer Vertragspartner und Verbände und anderen Instituionen, mit denen wir zusammenarbeiten.

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