Frau Dr. med Andrea Schleu aus Essen ist Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Seit 2004 setzt sie sich ehrenamtlich für Patienten ein, die unprofessionelles Verhalten von Psychotherapeuten erlebt haben. Für ihr Engagement als Mitbegründerin eines gemeinnützigen Vereins, der sich unter anderem für ethische Leitlinien in der Psychotherapie einsetzt, erhält sie unsere Dr. Pro Bono-Auszeichnung.
Mit welchem Projekt setzen Sie sich für das Gemeinwohl ein?
Wir bieten über den Ethikverein e.V. eine niederschwellige, professionelle und vertrauliche Beratung für Patienten und ihre Angehörigen an, wenn sie in psychotherapeutischen Behandlungen in Schwierigkeiten geraten sind, Grenzverletzungen und Missbrauch erleben oder erlebt haben.
Seit wann sind Sie ehrenamtlich tätig?
Seit 16 Jahren bin ich Beraterin und seit sechs Jahren auch Vorsitzende des Ethikvereins e.V.
Warum engagieren Sie sich in dieser Form?
Die Motivation für dieses Engagement erwuchs aus dem berufspolitischen Engagement. Als Ombudsfrau erhielt ich Kenntnis über gravierende Beschwerden von Patienten über unprofessionelles Verhalten von Psychotherapeuten und suchte einen Umgang damit zu finden. In Begleitung dieser ersten Patienten wurde ich Zeuge von der Intransparenz des Versorgungssystems aus Sicht der Patienten und von den individuellen und institutionellen Widerständen, sich mit unprofessionellem und berufsunwürdigem Verhalten von Kollegen auseinanderzusetzen.
Es fanden erste Workshops zu dieser Problematik statt und es wuchs dabei die Erkenntnis, dass nicht eine einzelne Beschwerde die Situation ändern kann, sondern es vielmehr eines Netzwerks von Engagierten bedarf, um die Situation für Betroffene und die Patientensicherheit in der Psychotherapie insgesamt zu verändern.
Auf Grund dessen gründeten wir 2004 den gemeinnützigen Verein „Ethikverein e.V. – Ethik in der Psychotherapie“ mit dem Ziel, ethische Standards in der Psychotherapie zu etablieren und einzuhalten.
Heute sind wir ein überregionales Team aus Ärzten, Psychologischen Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugend-Psychotherapeuten. Wir arbeiten Therapiemethoden und -verfahren übergreifend. Für die Beratung haben wir in Übereinstimmung mit Berufsordnungen und wissenschaftlichen Standards ethische Leitlinien sowie ein niederschwelliges Beratungskonzept erarbeitet und stets weiterentwickelt. So konnten wir seit Bestehen des Vereins fast 2.000 Ratsuchenden Hilfe zur Selbsthilfe anbieten.
Planen Sie in Zukunft noch andere Projekte?
Nun, das Ziel und die Aufgabe, die wir uns mit dem Ethikverein gesetzt haben, ist bislang noch nicht erreicht. Es liegt also noch ein Stück des Weges zu unserem Ziel vor uns. Bedauerlicherweise sind jedoch die Grenzen eines ehrenamtlichen Engagements nahezu erschöpft. Wir konnten hingegen gerade durch unser bisheriges ehrenamtliches Engagement zeigen, dass es ein Teil der gesellschaftlichen Verantwortung ist, auch Sorge für die Patienten mit psychischen Erkrankungen zu tragen, die in und durch psychotherapeutische Behandlungen Schaden genommen haben. Daher ist und bleibt es unser und mein Ziel, ein niederschwelliges Beratungsangebot in öffentlicher Trägerschaft für Betroffene zu etablieren, um die Patientensicherheit in psychotherapeutischen Behandlungen durch professionelle und ethische Standards in der Psychotherapie dauerhaft zu sichern.
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